Die Offenbarung Johannes und das Problem der Periodisierung
Die Offenbarung Johannes und das Problem der Periodisierung „Die Offenbarung Johannes und das Problem der Periodisierung“ war der Titel eines Vortrages, den Apostel Walter Drave am 21. Mai 1999 vor der Apostel-Versammlung-International in Toronto hielt. Struktur Der Vortrag ist in sechs Abschnitte gegliedert: 1. Einleitung: Das Problem der „Periodisierung“ 2. Zur Geschichte der Methode der „Periodisierung“ 3. Die „Periodisierung“ – dargestellt und erläutert 4. Schwächen der Methode der „Periodisierung“ und Gründe für die Ablehnung 5. Ein neuer Ansatz – die Deutung der „Offenbarung“ als Trost- und Mahnbuch 6. Ergebnis und Ausblick
Inhalt Zunächst stellt Drave kurz das Problem der periodischen Deutung der „Offenbarung“ dar und gibt einige Hinweise zur Geschichte dieser Methode (Joachim von Fiore, Martin Luther, Pietismus, Johann Albrecht Bengel, Albury-Konferenzen, Edward Irving, John Hooper, Ausarbeitungen der Apostel Rockenfelder, Startz, Kraus und Weinmann 1950-1989). Danach erläutert er die bisherige spezifisch neuapostolische Sichtweise, bevor er die Schwächen der Methode beispielhaft vorträgt und Gründe für eine Ablehnung dieser Methode ausführt. Die „Periodisierung“ sei entscheidend vom Standpunkt des Deutenden abhängig, die Zuordnung der Bedeutung der Namen der asiatischen Gemeinden zu dem Charakter des Zeitabschnitts sei problematisch und die Wortbedeutungen zudem nicht klar festzulegen. Außerdem mache die Konstruktion von gleichlangen Perioden Mühe. Insbesondere die Zuordnung von historischen Ereignissen zu jeweiligen Zeitabschnitten sei insgesamt willkürlich und manchmal sogar historisch falsch. Unübersehbar sei darüber hinaus die Enge europäischen Denkens. Völlig zurecht stellt er danach fest: „Die gesamte ´Periodisierung´ ist aus der Sicht eines abendländischen Europäers entstanden. Für Menschen aus Asien, Afrika, Amerika und Australien, ja selbst aus Osteuropa sind wichtige Aussagen nicht nachzuvollziehen.“ Drave verdeutlicht somit, dass die „Periodisierung“ ein Kind des europäischen 18. und 19. Jahrhunderts ist und nicht mehr zu halten sei. Er fasst seine Kritik an der Methode der „Periodisierung“ so zusammen: 1. Die „Periodisierung“ ist gekennzeichnet durch die Meinung des Deutenden. 2. Die „Periodisierung“ ist Ergebnis eurozentrischen Denkens. 3. Die „Periodisierung“ will in ihren Begründungen wissenschaftlich sein; sie erfüllt diesen Anspruch aber nicht. 4. Die „Periodisierung“ bleibt Spekulation. 5. Die „Periodisierung“ steht als Versuch, die Wiederkunft Christi zeitlich näher zu fixieren, in der Gefahr, zur Aussage der Schrift in Widerspruch zu stehen: „Von dem Tag aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel nicht im Himmel, sondern allein mein Vater“ (Matthäus 24, 36). Abschließend skizziert Drave einen neuen Ansatz, nämlich die „Offenbarung“ als Trost- und Mahnbuch zu deuten. Anlass 1 Drave verweist gleich zu Beginn des Vortrags darauf, dass die Jahrtausendwende nahe und damit auch „eine Flut von Endzeiterwartungen.“ Man könne sogar von einem „Endzeitfieber“ sprechen. Solche „Endzeitstimmungen“ waren auch der Mutterboden, auf dem in den Nachkriegszeiten die Botschaft von Stammapostel Bischoff gedieh, nach der er nicht sterben müsse, der Herr käme zu seiner Lebzeit. Es ist also durchaus möglich, dass mit diesem Vortrag einer übertriebenen „Endzeithysterie“ grundsätzlich der Boden entzogen werden sollte. 2 Draves Hinweis auf die eurozentristische Sichtweise der Interpretation der Offenbarung dürfte auf den Erfahrungen beruhen, die die Neuapostolische Kirche in ihren starken Missionsbemühungen der 80er und 90er Jahre gemacht hat. In den missionierten Gebieten außerhalb Europas wird die spezifisch neuapostolische Sichtweise auf die Offenbarung auf großes Unverständnis gestoßen sein, so dass die Frage im Raum stand, inwiefern es dieser sehr spezifischen Deutung der Offenbarung überhaupt bedürfe. 3 Nicht übersehen werden sollte Draves Hinweis auf neuapostolische Apostel, die „noch genauer in der Literatur der Katholisch-apostolischen Kirche geforscht und vieles von dort übernommen“ hätten und dass es bemerkenswert sei, dass sie „die Quellen nicht ausgewiesen wurden und dass man die Aussagen als endgültig betrachtete.“ In den 80er Jahren trennte sich der Apostel Hermann Gottfried Rockenfelder mit etwa 2000 Kirchenmitgliedern von der Neuapostolischen Kirche. Unter anderem sah er in dem „Knäblein“, das das „Sonnenweib“ gebar (Offenbarung 12), einen Hinweis auf seine neu gegründete Gemeinschaft und griff auf zahlreiche katholisch-apostolische Lehraussagen (vierfaches Amt, Propheten etc.) zurück. Für die neuapostolische Kirchenleitung musste damit klar sein, dass ihre Auslegung der Offenbarung und spezifische katholisch-apostolische Lehren das Potenzial für Kirchenspaltungen barg. Hintergrund Bis weit in die 90er Jahre hinein spielte die spezifisch neuapostolische Deutung der „Offenbarung des Johannes“ eine erhebliche Rolle für die Verkündigungspraxis und das Selbstverständnis der Neuapostolischen Kirche. Da die „Offenbarung“ als Heilsfahrplan der Kirchengeschichte („Reichsgottesgeschichte“) gedeutet wurde, in der sieben Zeiteinheiten á ca. 300 Jahre beschrieben wären, wähnte man sich die NAK in der „letzten Zeit“ vor der Wiederkunft Christi lebend, in der „Zeit Laodizäas“. Diese letzte Zeit, die von Lauheit im Glauben geprägt sei (vor allem in der „allgemeinen Christenheit“, aber auch in den eigenen Reihen), sollte nach biblischer Aussage noch verkürzt werden. „Und wo diese Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzt.“ (Matthäus 24, 22, LU 1912) Deshalb sei es nötig das „von Feuer geläuterte Gold“ der Wahrheit zu kaufen, ebenso die „weißen Kleider“ der apostolischen Sündenvergebung anzuziehen und die Augensalbe der rechten Apostellehre anzunehmen. Solche Überlegungen, sowie die „Zeit Laodizäas“, der „schmale Weg“ usw. gehörten zu den festen Inhalten neuapostolischer Predigten. Ebenso war man der Auffassung, dass die 24 Ältesten auf das zwölffache Apostolat in der Urkirche und die Sendung des zwölffachen Apostolates in der „Schlusskirche“ hinweisen würden. Der „Versiegelungsengel“ (Offenbarung des Johannes 7, 2) war in der neuapostolischen Interpretation der Offenbarung ein unmissverständlicher Hinweis auf die „Versiegelungsarbeit“ der Apostel der Endzeit, um die Auserwählten „an ihren Stirnen zu versiegeln“ (Offenbarung 7, 3). Veröffentlichung Auf diesem Hintergrund wirkte der Vortrag von Apostel Drave, den er am 21. Mai 1999 vor der Apostel-Versammlung-International in Toronto hielt, wie ein Paukenschlag. Als Leiter der damaligen Projektgruppe „Offenbarung“ stellte er die bisherige Sichtweise zur „Offenbarung“ in seinem Vortrag „Die Offenbarung Johannes und das Problem der Periodisierung“ im Beisein, im Auftrag und wohl auch in Absprache mit dem Stammapostel Richard Fehr grundsätzlich in Frage. Bereits vor der Veröffentlichung für die neuapostolischen Amtsträger gelangte der Vortrag ins Internet und löste kontroverse Diskussionen aus. Veröffentlicht wurde der Vortrag erstmalig auf der Internetseite „Wächterstimme aus Zion – Internetseite zur Förderung der Reformen in der Neuapostolischen Kirche“, wo er auch heute noch abrufbar ist. Den Amtsträgern wurden die Inhalte des Vortrags in einer Sondernummer der Leitgedanken vom November 2001 zugänglich gemacht. Eine Überarbeitung des Vortrags findet sich in dem 6. Band von „Lehre und Erkenntnis“ (S. 88-101). Nachwirkungen Kind des 18. und 19. Jahrhunderts, eurozentristisch, unwissenschaftlich und spekulativ – diese unmissverständliche Kritik an der periodischen Deutung hat kirchenintern zu weitergehenden Lehrveränderungen (z.B. zur Versiegelung, den 144 000, der 1. Auferstehung, Heil in der neuen Schöpfung uam.) geführt. Aber Apostel Drave hat in seinem Vortrag – erstmalig – die viel grundsätzlichere Frage nach dem Verhältnis von Apostelamt, Tradition und Bibel in der Neuapostolischen Kirche thematisiert: „Wie gehen wir mit der Tradition der Lehre um? Haben die Aussagen, die als endgültig betrachtet wurden, heute noch Bestand, weil sie von Aposteln verkündet wurden?“ „Wenn wir uns der neuen Deutung zuwenden, haben wir zwar das Problem des Umgangs mit unserer Tradition. Wir haben aber auch die Vorteile der Nähe zur Heiligen Schrift und den direkten Bezug zu jedem einzelnen Gläubigen.“ Der Vortrag hat also eine Kaskade von Lehrveränderungen in Gang gebracht, die eine Verkirchlichung und Ökumenisierung ermöglichte und weiter vorantreibt. So stellte Andreas Hahn, Beauftragung für Sekten und Weltanschauungsfragen der Evangelischen Kirche von Westfalen, auf dem Studientag der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Neuapostolischen Kirche in Westdeutschland fest: „Die Abkehr vom Dispensationalismus ist kaum zu überschätzen und stärkt die ökumenische Ausrichtung. […] Wenn Lehrdifferenzen als historische Traditionsstücke in den Blick kommen, kann man sich leichter über diese Unterschiede austauschen. Auch der Hinweis, dass diese eschatologische Neuausrichtung in den Predigten Niederschlag finden und so unter das ´Kirchenvolk´ gebracht würde, führt die NAK stärker in die Nähe der ökumenischen Christenheit – mit allen möglichen ´Fallen´ einer ´Verkirchlichung´.“
Fragen 1 Müsste, mit teilweiser gleicher Argumentation, nicht auch eine Abkehr von der neuapostolischen Sichtweise auf ein „Tausendjähriges (Friedens-) Reich“ und der Entrückungslehre erfolgen? Auch diese Lehrpunkte der Neuapostolischen Kirche sind „Kinder des 18. Und 19. Jahrhunderts“. Vor allem durch John Nelson Darby und Edvard Irving haben sich diese Vorstellungen entwickelt und leben seitdem in evangelikalen und (neu-) apostolischen Kreisen weiter. 2 Ist der Neuapostolischen Kirche nicht mit der Abkehr von der periodischen Deutung der „Offenbarung“ die entscheidende Legitimierung verlorengegangen? Diese Deutung erkannte doch in den 24 Ältesten das urchristliche und das neuzeitliche Apostolat. Und der „Versiegelungsengel“ (Offenbarung 7,2) wurde interpretiert als die die Erstlinge (144 000) versiegelnden Apostel der Neuzeit, weshalb er in der Offenbarung - nicht ohne Grund – nach dem 6. Siegel auftritt.
Vortrag
Projektgruppe „"Offenbarung“
Die Offenbarung Johannes und das Problem der Periodisierung
Vortrag von Apostel Drave am 21. Mai 1999 vor der
Apostel-Versammlung-International - Toronto
1. Einleitung: Das Problem der „Periodisierung“ Die Jahrtausendwende naht und damit auch eine Flut von Endzeiterwartungen. Man kann sogar von einem „Endzeitfieber“ sprechen. Zu esoterischen und mystischen Stimmen kommt auch der Ruf: Lest doch die Apokalypse, die „Offenbarung“ Johannes! Dort steht alles über das Ende der Welt. Und außerdem: Man kann sogar den Zeitpunkt berechnen, an dem die Geschichte dieser Welt zu Ende geht! Das Bedürfnis, die „Offenbarung Johannes“ wie einen Fahrplan der Weltgeschichte auszulegen, ist unübersehbar. Was bedeutet dieser Befund für uns als neuapostolische Christen? In der Lehre und in der Verkündigung der Neuapostolischen Kirche nimmt die „Offenbarung“ einen wichtigen Platz ein. Man hört hier und da in den Gemeinden sogar den Wunsch: Wir möchten noch viel mehr Aufschluss über dieses Buch erhalten. Nun, dass die Auslegung der „Offenbarung“ unserem Stammapostel am Herzen liegt, das zeigt sich schon allein eindrucksvoll darin, dass er zu Pfingsten gern ein Grußwort aus der „Offenbarung“ herangezogen hat. Denken wir an das des letzten Jahres: „Doch was Ihr habt, das haltet, bis dass ich komme.“ (Offenbarung 2, Vers 25) Die Wichtigkeit der „Offenbarung“ für unseren Glauben liegt vor allem in diesem: - Es ist ein Buch der Zukunft. Es handelt vornehmlich von der Wiederkunft Christi und von der Aufrichtung seines Reiches. - Alle Ausführungen in diesem Buch stehen unter dem Wort des Herrn: „Siehe, ich komme bald!“ Diese Verheißung des Herrn ist mehr als ein Wort. Es ist wie eine Regierungserklärung des Königs Christus. - Auf diese Aussage hin, die wie ein Brennpunkt ist, lassen sich alle Inhalte der "Offenbarung" konzentrieren. Von Ihm her muss auch die Auslegung erfolgen. - Das Wirken des Heiligen Geistes richtet sich auf die Vorbereitung der Gemeinde auf die Wiederkunft Christi. Das erleben wir besonders im Dienen unseres Stammapostels. Und die Gemeinde, die Braut des Herrn, wartet. Sie wartet im gläubigen Hoffen und bereitet sich auf sein Erscheinen vor. Zur Zeit Jesu stellten die Jünger dem Herrn laut Matthäus 24,3 die Frage: „... Sage uns, wann wird das geschehen? Und welches wird das Zeichen sein deiner Zukunft und des Endes der Welt?“ Ähnlich fragen heute die gläubig Wartenden: Wann endlich kommt der Herr? Gibt es deutliche Zeichen für die erfüllte Zeit? Die Beschäftigung mit diesen Fragen erhöht sicherlich die Bereitschaft zu warten. Sie kann aber auch eine Gefahr nach sich ziehen: Den Wunsch, das Ereignis der Wiederkunft zeitlich festzulegen. Und nun komme ich wieder auf die „Offenbarung“ zu sprechen. Dieses Buch darf nicht wie ein „Fahrplan“ ausgelegt werden, dem man ablesen kann, wann genau das Ziel des Glaubens erreicht sein wird. Die Methode, die „Offenbarung“ wie einen „Fahrplan“ zu deuten, ist eigentlich schon alt. So gingen alle Vertreter der sogenannten „Periodisierung“ vor. Was heißt der Begriff „Periodisierung“ in diesem Zusammenhang? „Periodisierung“ ist der Versuch, die Zukunftsvorhersagen in der „Offenbarung“ mehreren aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten zuzuordnen. Sie ist eine Methode der kirchen- und weltgeschichtlichen Auslegung der „Offenbarung“. Ich will an dieser Stelle bereits anmerken: Auch in der Neuapostolischen Kirche wurde diese Vorgehensweise angewandt. Besonders unter Auswertung des Buches von Apostel Schwartz „Buch für unsere Zeit“ (1872) fand sie Verbreitung. Darauf gehe ich später ein. Die zentrale Frage, die ich untersuchen möchte, lautet: Warum ist die Methode der „Periodisierung“ ungeeignet, die „Offenbarung“ zutreffend zu deuten? Bevor ich darauf antworte, möchte ich noch einen Blick auf die Geschichte dieser Methode werfen. 2. Zur Geschichte der Methode der „Periodisierung“ Zurück zu der Feststellung: Die Methode der „Periodisierung“ ist schon alt. Bereits vor vielen Jahrhunderten haben einige Menschen die "Offenbarung" kirchen- und weltgeschichtlich gedeutet. Dabei gingen sie, wie gesagt, davon aus, dass in der "Offenbarung" der Verlauf der Kirchengeschichte und auch der Weltgeschichte vorhergesagt sei. Sie meinten, dass in den Bildern bestimmte Ereignisse wiederzuerkennen seien, die schon geschehen waren. Dann glaubten sie, feststellen zu können, wo ihre jeweilige Gegenwart im Ablauf der Geschichte dieses Buches anzusiedeln ist. Dies wiederum würde die Vorhersage der noch ausstehenden Ereignisse möglich machen. Unter Umständen könne sogar der Zeitpunkt berechnet werden, an dem die Geschichte dieser Welt zu Ende geht. Einer der bekanntesten Theologen des Mittelalters, der die „Offenbarung“ in dieser Weise auslegte, war Joachim von Fiore. Er lebte von ca. 1130 bis 1202. Das Ergebnis seiner Deutung war, dass die Geschichte der Menschheit in ein Zeitalter des Vaters, ein Zeitalter des Sohnes und ein Zeitalter des Heiligen Geistes einzuhalten sei.
Auch Martin Luther hat dieses Verfahren der Auslegung in Bezug auf die „Offenbarung“ angewendet. So deutete er z.B. das 13. Kapitel als Beschreibung der Macht des römischen Papstes verbunden mit dem deutschen Kaiser. Das Beispiel zeigt, dass diese Auslegung nicht mehr ist als eine Deutung der jeweils eigenen Zeit. Diese wurde durch die Ereignisse überholt und damit wertlos.
Das gilt besonders für Deutungsversuche, die im deutschen Pietismus entstanden sind. Der Pietismus ist eine konservative, gefühlsbetonte Richtung im Protestantismus des 18. und 19. Jahrhunderts. Hier wurden die sieben Sendschreiben (Kapitel 2 und 3), die sieben Siegel (Kapitel 6 und 7), die sieben Posaunen (Kapitel 8 und 9) und die sieben Zornschalen (Kapitel 15 und 16) als sieben Zeitabschnitte der Kirchen- und Weltgeschichte gedeutet. Komplizierte Berechnungen wurden darauf aufgebaut, um dann zu ermitteln, wann die Wiederkunft Christi erfolgen würde. Berühmtester Vertreter dieser Deutung und Berechnung der Geschichte war Johann Albrecht Bengel. Er berechnete 1741 den Beginn des tausendjährigen Reiches mit dem Kommen Christi für das Jahr 1838.
In dieser Tradition der Deutung der „Offenbarung“ standen auch Geistliche der „Albury-Konferenzen“, die von 1826 bis 1830 stattfanden und als Keimzelle der Katholisch-apostolischen Kirche betrachtet werden können. Besonders auffällig war, dass sie den Beginn der „letzten Zeit“ mit der Französischen Revolution 1789-1792 ansahen. Unter diesen Männern waren z.B. Edward Irving und John Hooper.
Die Auslegungen der Katholisch-apostolischen Kirche hat Apostel Schwartz - wie erwähnt - weitgehend übernommen. Die wichtigsten Ereignisse seiner Betrachtung sind dann in den Jahren 1950 bis 1980 in Ausarbeitungen der Apostel Rockenfelder, Startz, Kraus und Weinmann eingeflossen. Apostel Weinmann hat zudem noch genauer in der Literatur der Katholisch-apostolischen Kirche geforscht und vieles von dort übernommen. Bemerkenswert dabei ist, dass die Quellen nicht ausgewiesen wurden und dass man die Aussagen als endgültig betrachtete. Sie wurden schließlich Tradition und Bestandteil der neuapostolischen Lehre. Ich kann also zusammenfassen: Auch in der Neuapostolischen Kirche wurde im Verlauf ihrer Geschichte die Methode der „Periodisierung“ angewandt. Die „Offenbarung“ wurde kirchen- und weltgeschichtlich gedeutet. 3. Die „Periodisierung“ – dargestellt und erläutert Ich möchte nun die Deutung der „Offenbarung“ nach der Methode der „Periodisierung“ vorstellen. Dabei werde ich mich aus Zeitgründen und aus der Notwendigkeit, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, exemplarisch auf die sieben Sendschreiben beschränken. Ich verzichte auch darauf, aufzuzeigen, dass es im Einzelnen auch gewisse unterschiedliche Festlegungen gab. Vielmehr möchte ich die Deutung der „Periodisierung“ in ihren Grundzügen darstellen, wie sie in der Neuapostolischen Kirche gelehrt wurde. Die Grundzüge habe ich in fünf Punkten zusammengefasst: Die „Periodisierung“ nimmt im Wesentlichen fünf Festlegungen vor: Festlegung 1: Die Geschichte entwickelt sich in sieben Zeiten. Der Verlauf der geschichtlichen Entwicklung von der Auferstehung Christi bis zu seiner Wiederkunft erfolgt in der Abfolge von sieben Zeitabschnitten. Die sieben Sendschreiben, die sieben Siegel, die sieben Posaunen und die sieben Zornschalen entsprechen sieben Zeiten.
Festlegung 2: Jeder Zeitabschnitt entspricht der Dauer von rund 300 Jahren. Da Jesus in das Jahr 33 christlicher Zeitrechnung gestorben und auferstanden sei, umfasst die erste Zeit die Epoche von 33 bis etwa 300. Die nächsten Zeitabschnitte beginnen demzufolge um 600, um 900, um 1200, und 1500 und um 1800. Die siebte Zeit ist dann die letzte Zeit. Zugleich ist sie die Epoche, in der wir leben.
Festlegung 3: Die Bedeutung der Namen der sieben Gemeinden der Sendschreiben erklärt den Charakter des jeweiligen Zeitabschnitts. In der Abfolge der sieben Gemeinden werden die Zeitabschnitte wie folgt gedeutet: 1. Ephesus = Verlangen; 30-300 n. Chr. Verlangen nach der baldigen Wiederkunft Christi. Dieses Verlangen war fast 300 Jahre lang in den Herzen lebendig. 2. Smyrna = Bitterkeit; 300-600 n. Chr. Das Verlangen nach der Wiederkunft Christi ist geschwunden. Enttäuschung und Bitterkeit sind in die Herzen eingezogen. 3. Pergamus = Turmbau; 600-900 n. Chr. Das Papsttum entwickelte sich immer mehr zu einer beherrschenden Macht in Kirche und Staat und bewirkte den Niedergang des Christentums. 4. Thyatira = Zügelloses Fortrennen; 900-1200 n. Chr. Die Kirche befand sich auf dem einmal eingeschlagenen Weg des Niedergangs. 5. Sardes = Überrest; 1200-1500 n. Chr. Von dem, was einst so blühend im Glauben stand, für das man freudig sein Leben hingab, war nur noch wenig zu finden. 6. Philadelphia = Bruderliebe oder wohlriechender Strauch; 1500-1800 n. Chr. Das waren die Vorboten der Reformation und die Reformatoren selbst. 7. Laodizea = Volksgericht, Volksherrschaft; 1800 bis zur Wiederkunft Christi Dies ist unsere Zeit, die Zeit der Demokratie.
Festlegung 4: Besondere Ereignisse markieren die Zäsuren zwischen den Zeitabschnitten. Besondere Ereignisse, die den Charakter der Zeitepoche verdeutlichen, werden zur Abgrenzung zum jeweils folgenden Zeitabschnitt benutzt. Kurz skizziert: Von 1 nach 2: 325 n. Chr.: Kaiser Konstantin lässt sich taufen; das Christentum wird Staatsreligion; ca. 300 n. Chr. Von 2 nach 3: 622 n. Chr.: Auftreten von Mohammed („Hedschra“); ca. 600 n. Chr. Von 3 nach 4: 914 n. Chr.: Papst Johann X. steht in voller Waffenrüstung an der Spitze eines Heeres; ca. 300 n. Chr. Von 4 nach 5: 1215 n. Chr.: 4. Laterankonzil; Ketzergesetzgebung; ca. 1200 n. Chr. Von 5 nach 6: 1517 n. Chr.: Beginn der Reformation; ca. 1500 n. Chr. Von 6 nach 7: 1815 n. Chr.: Ende Napoleons 1., der Geißel Europas; ca. 1800 n. Chr.
Festlegung 5: Die letzte Zeit ist zum Ende hin offen. Die Zeit „Laodizea“ beginnt also mit dem Jahr 1815. Sie müsste 300 Jahre dauern. Aber die Zeit soll verkürzt werden. Hinsichtlich ihres Endes bleibt ein Fragezeichen.
4. Die Schwächen der Methode der „Periodisierung“ und Gründe für die Ablehnung Ich habe bei der Darstellung der "Periodisierung" versucht, jegliche Bewertung zurückzustellen. Nun möchte ich einige wichtige Punkte vorstellen, die die Schwäche der Methode zeigen.
1. Die „Periodisierung“ ist entscheidend vom Standpunkt des Deutenden abhängig. Beispiel: Wenn ich die Französische Revolution von 1789 bis 1799 als demokratische Entwicklung negativ bewerte, dann kann ich sie auch mit dem antichristlichen Wirken gleichsetzen. Wenn Napoleon für mich eine negative historische Figur ist, dann kann ich ihn auch "Geißel Europas" nennen.
2. Die Zuordnung der Bedeutung der Namen der asiatischen Gemeinden zu dem Charakter des Zeitabschnitts ist problematisch. Die Wortbedeutungen sind zudem nicht klar festzulegen. Beispiel: Thyatira = zügelloses Fortrennen. Wissenschaftliche Werke geben die Auskunft über die Wortbedeutung: Opfertor, Opfer der Reue, Tochterstadt. Aus diesen Übersetzungen wären ganz andere Schlüsse über den Charakter der Zeit zu ziehen. Oder: Die Deutung „Philadelphia“ als „Bruderliebe“ ist bezogen auf eine Zeit europaeischer Religionskriege nicht haltbar.
3. Die Konstruktion von gleichlangen Perioden macht Mühe. Beispiel: Die Zeit Pergamus (600-900 n. Chr.) und die Zeit Thyatira (900-1200 n. Chr.) tragen dieselben Kennzeichen. Es sei der „einmal eingeschlagene Weg des Niedergangs“.
4. Die Zuordnung von historischen Ereignissen zu jeweiligen Zeitabschnitten ist insgesamt willkürlich und manchmal sogar historisch falsch. Beispiel: 914 stand der Papst Johann X. in voller Waffenrüstung an der Spitze eines Heeres. Dieses Ereignis wird als Beleg für die Machtentfaltung des Papsttums („Turmbau“) gewertet. Historisch richtig ist aber, dass der Papst völlig machtlos war. Er endete im Gefängnis, in das ihn eine einflussreiche Frau geworfen hatte.
Das für das Christentum entscheidende Ereignis der Trennung von West- und Ostkirche (1054) findet keine Beachtung. Es lässt sich eben nicht einordnen.
5. Unübersehbar ist die Enge europäischen Denkens. Die gesamte „Periodisierung“ ist aus der Sicht eines abendländischen Europäers entstanden. Für Menschen aus Asien, Afrika, Amerika und Australien, ja selbst aus Osteuropa sind wichtige Aussagen nicht nachzuvollziehen.
Diese Ausführungen zeigen, dass die „Periodisierung“ ein Kind des europäischen 18. und 19. Jahrhunderts ist. Ich meine, dass sie heute nicht mehr zu halten ist. Und dies - zusammengefasst - aus Folgenden wesentlichen Gründen: 1. Die „Periodisierung“ ist gekennzeichnet durch die Meinung des Deutenden. 2. Die „Periodisierung“ ist Ergebnis eurozentrischen Denkens. 3. Die „Periodisierung“ will in ihren Begründungen wissenschaftlich sein; sie erfüllt diesen Anspruch aber nicht. 4. Die „Periodisierung“ bleibt Spekulation. 5. Die „Periodisierung“ steht als Versuch, die Wiederkunft Christi zeitlich näher zu fixieren, in der Gefahr, zur Aussage der Schrift in Widerspruch zu stehen: „Von dem Tag aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel nicht im Himmel, sondern allein mein Vater“ (Matthäus 24, 36). Dennoch muss das ursprüngliche Motiv dieser Deutungsmethode gewürdigt werden: Gläubige Männer hielten fest an der Hoffnung auf die Wiederkunft Christi. Sie wollten das Warten der Gemeinde wachhalten. In dieser Einstellung wissen wir uns mit ihnen durchaus verbunden. Es scheint auch kein Problem zu sein, die „Periodisierung“ als „Kind ihrer Zeit“ zu akzeptieren. Viel entscheidender sind die Fragen: Wie gehen wir mit der Tradition der Lehre um? Haben die Aussagen, die als endgültig betrachtet wurden, heute noch Bestand, weil sie von Aposteln verkündet wurden?
Doch zurück zum Thema: Als Ergebnis möchte ich festhalten: Die Methode der „Periodisierung“ ist ungeeignet, die „Offenbarung“ zutreffend zu deuten.
5. Ein neuer Ansatz – die Deutung der „Offenbarung“ als Trost- und Mahnbuch Wenn die Periodisierung abgelehnt werden muss, so heißt das dann nicht, dass keine andere Deutung mehr möglich sei. Es gibt sehr wohl eine Deutung, die mich überzeugt. Wir sollten nur nicht denselben Fehler machen: Wir dürfen unseren Deutungsversuch nicht als endgültige Lehre verstehen, die unverändert bleiben müsse. Wir sollten sie als das Ergebnis unserer gegenwärtigen Erkenntnis sehen. Für Aufschlüsse aus dem Heiligen Geist muss die Auslegung offen bleiben. Ich möchte den neuen Deutungsansatz am Beispiel der sieben Sendschreiben vorstellen. Dazu die wichtigsten Ergebnisse: a) Christus richtet sich in den sieben Sendschreiben an seine Gemeinde an allen Orten und zu allen Zeiten. Die Sendschreiben gelten allen, die auf den wiederkommenden Herrn warten. Dazu muss man den prophetischen Charakter des Buches der „Offenbarung“ bedenken. Die sieben Sendschreiben richten sich einerseits an konkrete Gemeinden in Asien in der ersten apostolischen Zeit. Zum anderen stehen sie für die gesamte Gemeinde Christi. Darauf weist besonders die Siebenzahl hin. Die "Sieben" bezeichnet in der Offenbarung immer die Vollkommenheit das Ganze. Es geht also um die Vollzahl aller Gemeinden, also auch, um uns. Darum gehen auch uns alle Aussagen des Herrn in den Sendschreiben an, vor allem der Hinweis:
„Siehe, ich komme bald!“ Für die Praxis bedeutet das, dass alle Hinweise aus allen Sendschreiben, und nicht nur die an die Gemeinde Laodizea, zur Grundlage unseres Dienens in den Gottesdiensten genommen werden können.
b) Die Sendschreiben geben uns Trost, damit wir im Warten auf den Herrn nicht müde werden. Alle Sendschreiben zeigen uns in verschiedenen Bildern: Gott herrscht uneingeschränkt. Die Macht Christi bleibt ungebrochen. Das wird sehr schön deutlich in Offenbarung 3, 7:
„Und dem Engel der Gemeinde zu Philadelphia schreibe: Das sagt der Heilige, der Wahrhaftige, der da hat den Schlüssel Davids, der auftut, und niemand schließt zu, der zuschließt, und niemand tut auf“
Die Sendschreiben haben die zentrale tröstliche Botschaft: Wer überwindet, hat teil am ewigen Leben und an göttlicher Herrschaft. Hier könnten nun alle sieben „Überwinder – Worte“ angeführt werden. Ich beschränke mich auf die Verheißung in Offenbarung 3, 21: „Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl zu sitzen, wie ich überwunden habe und mich gesetzt mit meinem Vater auf seinen Stuhl.“ Der Herr tröstet damit, dass er verheißt, der Tod behält nicht den Sieg. Die Verheißung Christi in Offenbarung 2, 11 spricht für sich: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt. Wer überwindet, dem soll kein Leid geschehen von dem andern Tode.“
c) Die Sendschreiben mahnen zur Entscheidung für den Herrn.
Christus mahnt, indem er sagt, was er „wider uns“ hat Und er fordert zur Busse auf. So lesen wir z. B. in Offenbarung 2, 5: „Gedenke, wovon du gefallen bist, und tue Busse und tue die ersten Werke. Wo aber nicht, werde ich dir bald kommen und deinen Leuchter wegstoßen von seiner Stätte, wo du nicht Busse tust.“ Wer diesem Rat nicht folgt, sich also nicht für den Herrn entscheidet, der erlebt göttliches Gericht. Von den Gerichten Gottes ist in der Offenbarung immer wieder zu lesen. Wir werden eindrücklich zur Entscheidung für den Herrn aufgefordert. Wir sollen Überwinder sein.
Halten wir fest: Alles, was der Herr in den Sendschreiben sagt, gilt allen, die zu seiner Gemeinde gehören. Christus tröstet und mahnt alle, die auf sein Kommen warten - so auch uns. Wie gesagt, ich könnte nun das Ergebnis, dass die „Offenbarung“ ein Trost- und ein Mahnbuch ist, auch mit den sieben Siegeln, den sieben Posaunen und den sieben Zornschalen belegen. Nur, das würde den zeitlichen Rahmen dieses Vortrags sprengen. Wenn nun die Deutung der Periodisierung abgelehnt wird, so bedeutet das nicht, dass man jegliche historischen Bezüge von vornherein in Abrede stellt. Das Wesen der „Offenbarung“, ein prophetisches Buch zu sein, lässt den Schritt von der Bildlichkeit zur konkreten Ausdeutung sehr wohl zu. Nur das bedarf im Einzelnen einer sorgfältigen Vorgehensweise.
Gern möchte ich zum Schluss die Ergebnisse zusammenfassen.
6. Ergebnis und Ausblick Die Methode der „Periodisierung" ist der Versuch, die Zukunftsvorhersagen in der „Offenbarung“ sieben aufeinanderfolgenden Zeitabschnitten zuzuordnen.
Diese seit dem Mittelalter oft angewendete Vorgehensweise wurde auch in der Neuapostolischen Kirche übernommen. Sie ist aus wichtigen Gründen ungeeignet, die „Offenbarung" zutreffend zu deuten. Ein neuer Ansatz der Auslegung besteht darin, dass man die „Offenbarung" als ein Trostbuch und eine Mahnung versteht. Sie gilt allen, die zur Gemeinde Christi zählen und auf das Kommen des Herrn warten. Der Verzicht auf die „Periodisierung" bedeutet keinen Verlust, sondern einen Gewinn. Wenn wir uns der neuen Deutung zuwenden, haben wir zwar das Problem des Umgangs mit unserer Tradition. Wir haben aber auch die Vorteile der Nähe zur Heiligen Schrift und den direkten Bezug zu jedem einzelnen Gläubigen. Wir sind offen für den Aufschluss aus dem Heiligen Geist und konzentrieren uns auf das Wesentliche: Wir warten auf den Herrn aus Sehnsucht und Liebe zu ihm - ohne jegliche Form spekulierender Begründung. Lasst mich mit den Worten unseres Stammapostels schließen, die er am Schluss seiner Mitteilung zur „Biblischen Zeitenrechnung“ (in: Leitgedanken, Nr. 1, Januar 1999, S. 16) geschrieben hat: „Um den Herrn täglich zu erwarten, bedürfen wir keiner Spekulationen, sondern der lebendigen Hoffnung“.
Herzlichen Dank!