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Calvinismus

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Die Seite wurde neu angelegt: „Der '''Calvinismus''' (auch '''Kalvinismus''') ist eine theologische Bewegung, die auf den Lehren des Schweizer Reformators [[Johann…“
Der '''Calvinismus''' (auch '''Kalvinismus''') ist eine [[Theologie|theologische]] Bewegung, die auf den Lehren des Schweizer [[Reformation|Reformators]] [[Johannes Calvin]] beruht, dessen Denken die [[Reformierte Kirche|Reformierten Kirchen]] Westeuropas und die englischen [[Presbyterianische Kirchen|Presbyterianer]] nachhaltig geprägt hat.

== Begriff ==
Der Begriff „Calvinismus“ wurde erstmalig 1552 in der Schrift eines lutherischen Theologen verwendet.<ref>Christian Forberg: ''„Dieser Unfreudigeste aller Menschen“. Zum 500. Geburtstag des strengen Reformators Johannes Calvin''; in: [http://www.dradio.de/dlf/sendungen/studiozeit-ks/938754/ Studiozeit. Aus Kultur- und Sozialwissenschaften], Deutschlandfunk-Sendung vom 26. März 2009</ref> Für Calvin selbst war diese Bezeichnung nicht akzeptabel:
{{Zitat|Sie finden uns anzuhängen keine größere Schmähung, als dies Wort ‚Calvinismus‘. Doch ist’s nicht schwer zu vermuten, woher solch tödlicher Hass kommt, wie sie ihn gegen mich haben.}}

== Lehre ==
Die [[Theologie]] Calvins betont die unbedingte [[Heiligkeit]] [[Gott]]es. Alles Menschenwerk, sogar die Glaubensentscheidung und nicht zuletzt der [[Kult]]us der [[Katholizismus|katholischen Kirche]] mit [[Sakrament]]en, [[Reliquie]]n oder [[Ablass]] galten ihm als Versuche, die [[Souveränität]] Gottes einzuschränken und an Irdisches zu binden. Die zum Teil schroffen Züge von Calvins [[Offenbarung]]s-, [[Gnade]]n- und [[Erlösung]]slehre – insbesondere seine [[Prädestination|Prädestinationslehre]] (wonach Gott ein für alle mal vorherbestimmt hat, ob der einzelne Mensch auf dem Weg zur ewigen Seligkeit oder zur ewigen Verdammnis ist) – wurden in der Auseinandersetzung der Calvinisten mit den „[[Remonstranten|Arminianern]]“ im 17. Jahrhundert noch verschärft durch die Beschlüsse der [[Dordrechter Synode]] und durch das [[Bekenntnis von Westminster]].

=== Die vier ''Soli'' als Basis ===
Wie bei allen Richtungen, die aus der Reformation hervorgingen, gehören die vier ''Soli'' zur Basis des Calvinismus:
* ''[[sola scriptura]]'' – allein die Schrift ist die Grundlage des christlichen Glaubens (nicht die Tradition)
* ''[[solus Christus]]'' – allein Christus (nicht die Kirche) hat Autorität über Gläubige
* ''[[sola gratia]]'' – allein durch Gnade Gottes wird der Mensch errettet (nicht wegen seiner eigenen Güte)
* ''[[sola fide]]'' – allein durch den Glauben wird der Mensch gerechtfertigt (nicht durch gute Werke)
<!-- vgl. Geschichte Geschehen Ernst Klett Verlag -->

=== Die fünf Punkte ===

Darüber hinaus wird die spezifische Lehre des Calvinismus oft in fünf Punkten (mit dem englischen Akronym TULIP für ''Total depravity'', ''Unconditional election'', ''Limited atonement'', ''Irresistible grace'', ''Perseverance of the saints'') zusammengefasst:

==== Völlige Verderbtheit oder völlige Fähigkeit ====
Aufgrund des [[Sündenfall]]s beherrscht die [[Sünde]] den ganzen Menschen, sein Denken, seine Gefühle und seinen Willen. Daher ist der normale Mensch nicht fähig, die Botschaft des [[Evangelium (Glaube)|Evangeliums]] zu verstehen, er ist [[geistlich]] völlig hilflos und verloren. Der Mensch kann Gottes rettende Botschaft erst verstehen, nachdem er durch den [[Heiliger Geist|Heiligen Geist]] dazu befähigt wurde ({{B|Röm|5|12|LUT}}, {{B|Mk|4|11|LUT}}).

==== Bedingungslose Erwählung ====
Dies ist Calvins Prinzip der doppelten [[Prädestination]]. Die Erwählung zum Heil vollzieht sich nach Calvin wie folgt: Gott hat die Menschen in eine Gruppe der Auserwählten und eine der Nicht-Auserwählten geteilt. Für die Auserwählten hat Gott seine Erkenntnis bestimmt und die [[Auferstehung]] vorhergesehen. Die Übrigen bleiben unwissend bezüglich Gottes und des Evangeliums. Laut Calvin sind sie von Gott verdammt auf dem Weg in die ewige [[Hölle]]. Diese Entscheidung sei noch vor der Schaffung des Universums getroffen worden und somit erst recht vor der Geburt des einzelnen Menschen sowie vor irgendwelchen Entscheidungen, die der Mensch in seinem Leben trifft. Die Gründe, warum Gott einige erwählt hat, sind unbekannt. Es ist aber offensichtlich, dass das nicht aufgrund irgendwelcher guten Werke von Seiten des Erwählten geschehen ist. Die Erwählung ist insofern nicht an irgendwelche in der Person des Erwählten liegenden Bedingungen geknüpft ({{B|Röm|9|15|LUT}}.21{{Bpur|Röm|9|21|LUT}}).

==== Begrenzte Versöhnung/Sühne ====
Das ist der Glaube, dass [[Jesus Christus]] nicht gestorben ist, um alle Menschen zu retten. Sein Erlösungswerk ist nur an die auserwählten Sünder, die durch ihn gerettet sind, gerichtet ({{B|Mt|26|28|LUT}}, {{B|Eph|5|25|LUT}}).

==== Unwiderstehliche Gnade ====
Gemeint ist, dass man die Gnade der Erwählung nicht ausschlagen kann. Der Mensch hat in dieser Hinsicht also keinen freien Willen. Jeder Mensch, den Gott erwählt hat, werde Gott erkennen. Die Erwählten können dem Ruf Gottes nicht widerstehen ({{B|Joh|6|44|LUT}}, {{B|Röm|8|14|LUT}}).

==== Die Beharrlichkeit der Heiligen ====
Die einmal Geretteten werden gerettet bleiben. Es sei unmöglich, Gottes [[Gnade]] wieder zu verlieren ({{B|Röm|8|28|LUT}}, {{B|Joh|6|39|LUT}}).

=== Weitere Prägungen ===
Weiter ist der Calvinismus geprägt durch:
* protestantische [[Askese]]
* strenge [[Kirchenzucht]], d.&nbsp;h. die Gemeinde kann verschiedene Strafen gegen ihre Mitglieder verhängen, wenn sich diese unmoralisch verhalten
* Fleiß und Arbeitseifer, wobei wirtschaftlicher Wohlstand in der [[Protestantische Ethik|protestantischen Ethik]] mitunter als Zeichen der Erwählung interpretiert wird
* Unabhängigkeit vom Staat
* nicht-hierarchische [[Kirchenordnung]] ([[Allgemeines Priestertum]])
* [[Abendmahl]] als Erinnerungsfeier, kein Glaube an die [[Realpräsenz]]

== Calvinistische Arbeitsethik ==

Da die Absichten Gottes den Menschen verborgen bleiben, müsse jeder im Sinne einer tugendhaften Lebensführung handeln, also so, als ob er von Gott auserwählt sei. Rastloser Fleiß und wirtschaftlicher Erfolg können in der Folge als Zeichen für den Gnadenstand gewertet werden. Jedoch hat der Mensch keinerlei Einfluss auf die göttliche Entscheidung. Ob jemand nach dem Tod in der Hölle landet oder zum Himmel auffährt, wurde bereits zu Anbeginn der Zeit festgelegt. Was der Mensch nun versucht, ist, sich selbst durch seine Tugendhaftigkeit Gewissheit darüber zu verschaffen, dass er auserwählt sein müsse.

Durch die [[Testakte]] von 1673 wurden schließlich in England neben Katholiken auch die calvinistischen Puritaner aus Staatsämtern ausgeschlossen, wodurch sie in privatwirtschaftliche Bereiche gedrängt wurden. Im 18. Jahrhundert waren beinahe die Hälfte der englischen Erfinder, Kaufleute und Unternehmer Calvinisten, obwohl diese in der britischen Gesamtbevölkerung eine Minderheit darstellten.

Der „[[protestantische Ethik|Protestantismusthese]]“ des deutschen Soziologen [[Max Weber]] zufolge hat der Calvinismus im Verlauf des 18. Jahrhunderts die Arbeitsmoral und -ethik in England, Holland, der Schweiz und einigen Gegenden Deutschlands maßgeblich beeinflusst und legitimiert. Er setzt einen Maßstab bei der Nützlichkeit menschlichen Handelns an, wobei der wirtschaftliche Erfolg im Vordergrund steht: [[Zeit]]vergeudung sei die schlimmste [[Sünde]], wozu auch übermäßig langer [[Schlaf]] oder [[Luxus]] zählen. Arbeit sei der von Gott vorgeschriebene [[Selbstzweck]] des Lebens. Mit seiner spezifischen Arbeits- und Wirtschaftsethik habe er eine wesentliche Grundlage für die [[Industrielle Revolution]] und den modernen [[Kapitalismus]] geschaffen, so Weber.

== Kontroversen ==
Die strikte Lehre des Calvinismus wird von vielen Christen nicht akzeptiert, wobei es dafür unterschiedliche Gründe gibt:

* [[Liberal]]e Christen verschiedener Konfessionen halten die calvinistische Lehre für antiliberal und [[Intoleranz|intolerant]].
* Die [[Katholik]]en lehnen entschieden alle fünf Punkte ab (siehe oben), dazu kommen etliche andere wichtige Lehrpunkte, unter anderem bezüglich der [[Ekklesiologie]] und der Sakramente.
* Für die [[Orthodoxe Kirche|Orthodoxen]] ist der [[Freier Wille|Freie Wille]], den Calvin ablehnt, eine Grundlehre der Bibel. [[Erlösung]] sei kein einmaliger, rein passiv zu empfangender Gnadenakt und keine Frage des Sich-gerettet-Wissens, sondern eine andauernde aktive Zusammenarbeit des [[Heiliger Geist|Heiligen Geistes]] mit den Gläubigen.
* Die [[Evangelisch-methodistische Kirche|Methodisten]]: Bereits [[John Wesley (Prediger)|John Wesley]] akzeptierte die doppelte Prädestination nicht, die der Calvinist [[George Whitefield]] vertrat, was zur Trennung der beiden führte.
* Die [[Lutheraner]] lehnen eine doppelte Prädestination ab und halten an der leiblichen Gegenwart Christi im [[Abendmahl]] fest.
* Die [[Quäkertum|Quäker]] lehnen ebenfalls die Prädestination ab. Siehe: [[Quäkertheologie]].

Der [[Arminianismus]], die Lehre der sogenannten [[Remonstranten]], stellt eine ausdrückliche theologische Gegenposition zum Calvinismus innerhalb der calvinistisch geprägten Gebiete Nordwesteuropas und der englischsprachigen Staaten im 17. Jahrhundert dar.

== Literatur ==
* Andrew Pettegree: ''Calvinism in Europe, 1540–1620''. Cambridge University Press, Cambridge 1994, ISBN 0-521-43269-3.
* Dieter Schellong: ''Wie steht es um die „These“ vom Zusammenhang von Calvinismus und „Geist des [[Kapitalismus]]“?'' Paderborner Universitätsreden 47. Univ.-Gesamthochschule, Paderborn 1995
* Christoph Strohm: ''Ethik im frühen Calvinismus. Humanistische Einflüsse, philosophische, juristische und theologische Argumentationen sowie mentalitätsgeschichtliche Aspekte am Beispiel des Calvin-Schülers Lambertus Danaeus''. Arbeiten zur Kirchengeschichte 65, de Gruyter, Berlin u. a. 1996 ISBN 3-11-015061-1.
* [[Jan Rohls]]: ''Zwischen Bildersturm und Kapitalismus. Der Beitrag des reformierten Protestantismus zur Kulturgeschichte Europas''. Veröffentlichungen der Johannes-a-Lasco-Bibliothek 3. Foedus-Verlag, Wuppertal 1999, ISBN 3-932735-34-X.
* Ernst Koch: ''Das konfessionelle Zeitalter – Katholizismus, Luthertum, Calvinismus (1563–1675)''. Kirchengeschichte in Einzeldarstellungen 2/8, Evang. Verlagsanstalt, Leipzig 2000, ISBN 3-374-01719-3.
* Philip Benedict: ''Christ’s Churches Purely Reformed. A Social History of Calvinism''. Yale University Press, New Haven, Connecticut u. a. 2002, ISBN 0-300-08812-4.
* Philip S. Gorski: ''The Disciplinary Revolution. Calvinism and the Rise of the State in Early Modern Europe''. University of Chicago Press, Chicago u. a. 2003, ISBN 0-226-30483-3.
* Stefan Bildheim: ''Calvinistische Staatstheorien. Historische Fallstudien zur Präsenz monarchomachischer Denkstrukturen im Mitteleuropa der Frühen Neuzeit''. EHS 3/904. Lang, Frankfurt am Main u. a. 2001, ISBN 3-631-37533-6.
* [[Max Weber]]: ''Die Protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus''. in: Ders.: ''Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie'', Bd. 1, Tübingen 1988
* [[Stefan Zweig]]: ''Castellio gegen Calvin oder Ein Gewissen gegen die Gewalt''. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt 1983


== Weblinks ==
* {{Wiktionary|Calvinismus}}
* [http://www.calvinianum.de/Artikel/5_Punkte/ Die fünf Punkte des Calvinismus, ] Ausführliche Artikel zu jedem Punkt
* [http://www.johannescalvin.de/ „Prompte et Sincere“ – Webseite zu Leben, Werk und Wirkung des großen Reformators]
* [http://www.esiweb.org/?lang=de&id=117 Islamische Calvinisten: Wandel und Konservatismus in Zentralanatolien (Bericht der Europäischen Stabilitätsinitiative (ESI)]
* [http://www.calvinismus.de/ www.calvinismus.de] bietet umfassendes Material über Calvin und calvinistische Theologie
* [http://www.calvin-institutio.de/ Die Institutio Calvins:] bietet den Text der Institutio Calvins in der Übersetzung von Otto Weber
* [http://www.calvinismus.ch/ www.calvinismus.ch] Calvins Bibelkommentare, Unterricht in der christlichen Religion – Zusammenfassungen und MP3
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