Hamburger Schisma
Unter Hamburger Schisma sind die Vorgänge des Jahres 1863 zu verstehen, welche die neuapostolische Bewegung begründeten. Es kommt zu einer Spaltung (Schisma) der Hamburger katholisch-apostolischen Gemeinde über die Frage, ob Rudolf Rosochacki ein berufener Apostel ist oder nicht.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund
Das Hamburger Schisma ist ganz entscheidend mit der Person Heinrich Geyer, dem damaligen katholisch-apostolischen Propheten (fungierend als Prophet mit dem Apostel), verknüpft. Hintergrund ist die Streitfrage, ob die Stellen der bis 1862 verstorbenen sechs englischen Apostel wieder aufgefüllt werden dürften oder nicht.
Laut Geyer habe es in Albury eine prophetische Rufung zweier neuer Apostel gegeben, welche jedoch von den lebenden sechs Aposteln verworfen worden seien.
Ein weiterer Hintergrund dürfte auch die Übernehme des Stamm Norddeutschland durch Apostel Woodhouse 1855, nach dem der bisherige Apostel Thomas Carlyle verstorben war, gewesen sein. Hiermit dürfte ein gewisser "Kulturunterschied" in theologischen und liturgischen Fragen verbunden gewesen sein. Auch deutet vieles darauf hin, dass Carlyle im Unterschied zu Woodhouse den Apostolat als eine ständige, erneuerbare Einrichtung ansah (Vortrag in Buchwäldchen).
Ablauf
1862
Im Oktober 1862 war Heinrich Geyer mit Woodhouse in Königsberg/Ostpreußen. Am Abend des 10. Oktober 1862 wurde Rudolf Rosochacki beim Abendgebet mit Prophet Heinrich Geyer in seiner Königsberger Wohnung durch Weissagung zum Apostel gerufen. Bei dieser Rufung waren nur diese beiden Männer anwesend, da der Apostel Woodhouse, der Hirte mit dem Apostel Ludwig Augustus Samuel Thiersch sowie die Engel Charles Böhm und Friedrich Bolko Alexander Diestel beim Engel Eduard Schwarz wohnten und bereits zu Bett gegangen waren. Geyer selbst berichtet 1893 von diesem Abend wie folgt:
„Ich wurde einquartiert beim Priester Maurermeister Rosochaky. Dieser Mann war mir bekannt als ein begabter Mensch; ruhigen Gemüths, einsichtsvoll, als Priester treu, als Geschäftsmann intelligent ... An demselben Abend den 10. Octbr. 1862 lag der Geist des Herrn so schwer auf mir, daß ich körperlich fast erdrückt wurde, da mit einemmale kam der Geist Gottes mit Kraft über mich und rief den mitanwesenden Diener Rosocacky zum Amte eines Apostels. Jedoch wurde ihm gesagt, er solle sich nicht in die Angelegenheiten der bisherigen Apostel mengen, sondern ruhig abwarten die Zeit, da Gott ihn vor größerer Versammlung vieler Zeugen bestätigen würde; indem mit ihm eine neue Reihe der Zwölfzahl beginnen würde.“
Von dieser Rufung unterrichtete Geyer vorerst niemanden, auch Rosochacki scheint noch nicht mal mit seiner Frau darüber gesprochen zu haben. Später berichtete Geyer dem Engel Friedrich Wilhelm Schwarz in Hamburg. Dieser lud daraufhin beide zum 3. Januar 1863 nach Hamburg ein.
Januar 1863
Im Januar 1863 kommt es schließlich zu einer Folge von Ereignissen, die das Hamburger Schisma manifestieren.
Am 3. Januar treffen Geyer und der Älteste Rudolf Rosochacki in Hamburg ein. Beide treten im Morgendienst des $. Januar vor die Gemeinde. Geyer stellt den Ältesten als berufenen Apostel vor. Engel Schwarz erkennt ihn als seinen Apostel an und legt sein Amt unter dem Engel Rothe nieder. Ihm folgen, bis auf fünf, alle weiteren Hamburger Amtsträger und Mitglieder. Ein Hamburger Unterdiakon (wahrscheinlich Lhotzky) unterrichtet Rothe am 5. Januar 1863 per Brief von den Geschehnissen in Hamburg. Diakon Neumann und Schwester Kunigunde Müller schreiben an den Hirten mit dem Apostel Thiersch. Rothe und Thiersch erhalten diese Briefe aus Hamburg am Folgetag. Thiersch telegrafiert an den Koadjutoren Böhm (und an Rothe?), dass Geyer in Hamburg großes Unheil anrichtet. Auch Rosochacki schreibt an Rothe und teilt ihm mit, dass er in Hamburg als Apostel arbeiten wird, Rothe wird den BRief jedoch vor seiner Abfahrt nicht rechtzeitig erhalten. Vermutlich macht sich Rosochacki noch am selben Tag auf und tritt seine Heimreise nach Königsberg an.
Am 7. Januar 1863 trifft Rothe mit dem Frühzug in Hamburg ein und redet auf die Gemeinde ein, kann jedoch niemanden umstimmen. Nach anderen Quellen reist Rosochacki heute erst wieder nach Hause, nach Königsberg, ab. Ebenfalls am selben Tag schreibt Böhm an den Priester Rosochacki und suspendiert ihn vom Amt. 08. - Rothe kehrt nach Berlin zurück. Böhm sendet ein Rundschreiben an seine norddeutschen Amtsbrüder und informiert diese über die Vorfälle in Berlin und Hamburg. Auch der Engel-Evangelist Rührmund trifft am 9. Januar in Hamburg ein, wird aber nicht in die Kapelle gelassen und versucht in Privatwohnungen die Geschwister umzustimmen. Am selben Tag erhält er auch eine Abschrift des Briefes Rosochacki an Rothe.
Amtsrücktritt von Rosochaki
Am 15. Januar 1863 trifft ein Brief Rosochackis in Berlin ein, wo er mitteilt, dass er von seinem Amt als Apostel zurücktritt. Auch in Hamburg trifft bei Schwarz nun ein entsprechender Brief Rosochackis zwei Tage später ein. Apostel Woodhouse ruft Thiersch zu einer Unterredung nach Berlin. Geyer erfährt in Berlin davon, dass Diakon Hoppe in Hamburg den Priester Preuß zum Apostel gerufen hat. Geyer, der darüber nicht erfreut ist, wird von Schwarz nach Hamburg gebeten und reist ab. Eine andere Quelle lässt aber auch darauf schließen, dass dieses Ereignis sich erst am 8. Februar ereignete.
Am 25. Januar Schwarz berät sich mit den Hamburgern über einen Ausweg aus der aktuellen Lage.
Kirchengericht in Berlin
Am 26. Januar trifft Schwarz in Berlin ein; auch Woodhouse kommt erst an diesem Tag in Berlin an. Woodhouse bespricht sich mit seinen apostolischen Mitarbeitern und lädt Geyer und Schwarz zum nächsten Tag ein. Am 27. Januar findet eine Konferenz über die Hamburger Geschehnisse am Vormittag sowie am Nachmittag eine Aussprache mit Schwarz und Geyer statt. Am Abend des selben Tages ist abends eine Ratsversammlung. Hierbei findet die Urteilsverkündung statt: die Exkommunikation von Schwarz und Geyer. Am Folgetag kehrt Schwarz nach Hamburg zurück und berät sich abermals mit der Hamburger Gemeinde. Sie beschlossen die neue Lehre fortzuführen und auf die Hilfe des Herrn zu warten.
Am 30. Januar findet abermals eine Konferenz in Berlin mit Thiersch und Woodhouse statt. Das Urteil über Geyer und Schwarz wird schriftlich festgehalten und für die Amtsträger und Gemeinden vervielfältigt.
Februar 1863
Apostel Woodhouse exkommunizierte Geyer und Schwarz offiziell in einem Brief vom 6. Februar 1863, adressiert an die Hamburger Gemeinde, was nun die Trennung offiziell besiegelte. Nun ging die Hamburger Gemeinde unter Schwarz und Geyer ihren eigenen Weg.
Urteilstext
Das Urteil über Geyer lautete:
„ Im Namen des HErrn Jesu Christi, des Hauptes der Kirche und kraft der Autorität, die mir in dem Stamme in Norddeutschland von den Aposteln übertragen ist, erkläre ich Dich für suspendirt von der Ausübung des Amtes, sei es als Engel oder als Priester und von aller Ausübung der Gabe der Weissagung, welche Du verkehrt und mißbraucht hast; ferner erkläre ich Dich ausgeschlossen von der heiligen Communion als moralisch und geistlich unrein; endlich erkläre ich Alles, was Du seit Deiner Suspension durch den Engel und in unrechtmäßiger Ausübung Deines Amtes und Deiner Gabe geredet und gethan hast, für ungültig und nichtig.[1]“
Folgen
Die Neuapostolische Kirche betrachtet das Hamburger Schisma als ihre Geburtsstunde.
Auf Grund des Hamburger Schismas und der durch Apostel Woodhouse ausgesprochen Exkommunikationen kam es zu einem nie überbrückten Bruch zwischen den katholisch-apostolischen Gemeinden und den späteren neuapostolischen Gemeinden. Die Exkommunikation wurde nie zurückgenommen und kann nach katholisch-apostolischer Sicht auch nur durch einen Apostel zurückgenommen werden. Woodhouse starb als letzter englischer Apostel 1901. Somit kann die Exkommunikation nicht mehr zurückgenommen werden.
Etliche katholisch-apostolische Gemeindemitglieder betrachten auch alle geistigen Nachkommen von 1863 als ausgeschlossen und unrein. Nach Ansicht einiger gehören neuapostolische Christen nicht zum Leib Christi. Auf Grund dessen meidet man auch Umgang und Kontakt mit neuapostolischen Christen.
Literatur
- ↑ Zirkular zum offiziellen Verfahren gegen H. Geyer vom 28.1.1863 (Auszüge) in: Schröter, J. A.: Die Katholisch-apostolischen Gemeinden - Seite 303.