Hans Urwyler
Hans Samuel Urwyler (* 20. Februar 1925 in Bern; † 17. November 1994 in Bern) war der 6. Stammapostel (internationaler Kirchenpräsident) der Neuapostolischen Kirche.
Inhaltsverzeichnis
Biografie
Er wurde in ein neuapostolisches Elternhaus hineingeboren und wuchs in der Schweiz auf. Seine Vorfahren mütterlicherseits kamen als Hugenotten in die Schweiz. Sein Großvater Hans Plüss war einer der ersten neuapostolischen Schweizer Bischöfe.
Nach seinem Schulabschluss erlernte er den Beruf eines Maschinenmechanikers. Nach kaufmännischer Weiterbildung und dem Besuch des Kantonalen Technikums Biel machte er sich zusammen mit einem Studienfreund in der Automobilbranche selbständig.
Als Jugendlicher war er als Dirigent in seiner Heimatgemeinde Schwarzenburg ativ. Hier lernte er auch seine Frau Hedi Wenger kennen, mit der er 1949 die Ehe schloss und aus der zwei Söhne hervorgingen.
Nachdem Stammapostel Ernst Streckeisen während einer Dienstreise in Südafrika überraschend verstorben war, wurde Hans Urwyler in einer internationalen Apostelversammlung am 18. November 1978 zum Stammapostel gewählt.
Nach einer Afrikareise erlitt er im Juli 1987 einen schweren Schlaganfall, von dem er sich nicht wieder vollständig erholte. Am 28. August 1987 ordinierte er im Beisein mehrerer europäischer Bezirksapostel im Spital von Bern den Schweizer Bezirksapostel Richard Fehr zum Stammapostelhelfer und damit zu seinem Stellvertreter. Am 3. Mai 1988 ordinierte er diesen, wiederum in Gegenwart von mehreren Bezirksaposteln aus Deutschland, Frankreich, Kanada und Sambia, im Spital von Bern zum Stammapostel und trat selbst in den Ruhestand.
Dem vorausgegangen waren die sog. Londoner Gebetstage.
Seine letzten Lebensjahre waren von seiner schweren Krankheit gekennzeichnet. Er verstarb nach weiteren Schlaganfällen 1994 im Kreis seiner Familie.
Ordinationen
- 1949 Unterdiakon
- 1952 Diakon
- 1953 Priester
- 1964 Hirte
- 1965 Bezirksevangelist
- 1966 Bezirksältester
- 27. April 1969 Bischof
- 01. Januar 1976 Bezirksapostel für die Gebietskirche Schweiz (bis 01. Januar 1980) durch Stammapostel Ernst Streckeisen in Zürich-Wiedikon, Schweiz
- 18. November 1978 Stammapostel
- 03. Mai 1988 Ruhesetzung
Entwicklungen seiner Amtszeit
Verbreitung und Mission
In seiner Amtszeit verzeichnete die Neuapostolische Kirche ein starkes Wachstum. Während seiner Amtszeit wuchs die Mitgliederzahl der Kirche evon etwa 1,5 Millionen auf rund 5 Millionen Mitglieder. Stammapostel Urwyler unternahm neben seinen vielen europäischen Reisen 28 Überseereisen und ordinierte weltweit über 130 Apostel.
Öffentlichkeitsarbeit und Kircheninternes
Er regte 1986 mehr Eigenverantwortung des neuapostolischen Christen für sein Glaubensleben sowie Liebe, Hilfsbereitschaft und Verständnis für solche Glaubensgeschwister an, deren Lebensweg von der allgemeinen Norm abweicht (z.B. Homosexualität, Leben in eheähnlichen Verhältnissen und in Scheidung) und regelte in diesem Zusammenhang deren Zulassung zum Heiligen Abendmahl. Auf Grund dieser Aussagen von Stammapostel Urwyler setzte eine deutliche Liberalisierung innerhalb der neuapostolischen Ethik ein. Bestimmte Vergnügungen, die sonst massiv verpönt waren, wie Kino- und Theaterbesuche, Fernsehen, Tanzveranstaltungen, wurden nun mehr und mehr in die Entscheidung des Einzelnen gestellt, ohne dass dies zu pastoralen Konsequenzen geführt hätte. Dieser Prozeß setzte sich jedoch regional sehr unterschiedlich und mit unterschiedlichem Tempo durch, ebenso wie die neuapostolische Ethik auch regionale Varianten aufwies.
Öffnung nach Aussen
Unter Stammapostel Urwyler setzte eine zaghafte Öffnung der Kirche nach außen hin ein. Diese Öffnung galt insbesondere anderen apostolischen Gemeinschaften, die sich von der Neuapostolischen Kirche getrennt hatten.
Als vor geraumer Zeit einmal eine ganze Anzahl Geistgetaufter eigene Wege einschlug, wurde der - damals zeitgemässe - Rat erteilt, sich mit solchen Seelen in keine Gespräche einzulassen. Dafür gab es im Augenblick der frischen Wunden und der Geister, die ihr Unwesen trieben und im vermeintlich Trueben zu fischen suchten, mancherlei Gründe. Mit dem heutigen Tage gebe ich für die, die uns damals den Rücken gekehrt haben, ein neues Wort, und das heisst: "Grüsset sie mit grosser Freundlichkeit und sagt ihnen: Wir gehen heim zum Vaterhaus!" Ladet sie ein in unsere Gottesdienste und - wenn die Möglichkeit gegeben ist - auch zu euch nach Hause, und sagt zu ihnen: "Wir wollen mit euch über unser Glaubensziel sprechen, das in der nahen Zukunft liegt, und nicht mehr über die Dinge reden, die laengst der Vergangenheit angehoeren und die wir begraben haben."[1]
Urwyler beendete hiermit deutlich den Konfrontationskurs, welcher insbesondere gegenüber denen, die sich im Verlauf der Botschaft von der Neuapostolischen Kirche getrennt hatten, bis dahin gefahren wurde. Anstelle der klaren Abgrenzung soll hier der Dialog treten. Urwylers Aussage war für jene Zeit in der Neuapostolischen Kirche revolutionär. Heutige Kritiker sehen hier jedoch noch einen Mangel an Selbstkritik, dass die eigene Position der Neuapostolischen Kirche und ihre Rolle bei jenen Trennungen nicht genügend reflektiert worden sei.
Urwylers Aufruf blieb nicht ohne Folgen. Vielerorts folgten Gespräche und Kontakte zu apostolischen Gruppen, oftmals auf persönlicher Ebene, aufgenommen.
Herausforderungen seiner Amtszeit
- Ab 1983/84 kam es im Raum Wiesbaden zu einigen Unruhen; 1985 legte Apostel Hermann Gottfried Rockenfelder in diesem Zusammenhang auch sein Amt nieder. Stammapostel Hans Urwyler wurde in diesem Zusammenhang mit Vorwürfen aus diesem Kreis konfrontiert, dass seine Wahl nicht legitim gewesen sei. Auch theologisch sei diese Wahl fragwürdig; ebenso wie die Führung und Entscheidungen Hans Urwylers. Dieser Konflikt schwelte mehrere Jahre und eskalierte erst nach Urwylers Amtszeit.
- Eng verknüpft mit der oben genannten Problematik war das Auftreten von Walter Heubach, der behauptete, er sei von Urwylers Vorgängern jeweils zum Propheten ordiniert worden. Urwyler reagierte hierauf am 13. Oktober 1985 in einem Gottesdienst in München:
"Es wurden oft Fragen laut: Weshalb dienen in der Neuapostolischen Kirche in unserer Zeit keine Propheten mehr? Man könnte die Ge- genfrage stellen: Weshalb gab es zur Zeit Jesu keine Propheten mehr? Und daran die weitere Frage anschliessen: Weshalb waren zur Zeit der ersten Apostel die Propheten eindeutig den Apostelamt unter- stellt? Das geht neben vielen anderen Hinweisen zweifelsfrei aus den Aus- sagen des Apostels Paulus hervor: "Und Gott hat gesetzt in der Ge- meinde aufs erste Apostel, aufs andere Propheten, aufs dritte die Lehrer" (1. Korinther 12, 28), und: "er hat etliche zu Aposteln gesetzt, etliche zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern" (Epheser 4, 11). Aber die Zeit ihres Wirkens war begrenzt. Die Propheten hatten ihre bestimmte Zeit, und in der haben sie Gott- wohlgefälliges getan. Den Zeitplan, nach dem diese Maenner ihr Amt führten, hat der liebe Gott gemacht, nicht wir! Wohl waren zu Beginn des Erlösungswerkes in unserer Zeit auch wieder Propheten tätig. Sie haben Grosses getan, bis alles soweit gediehen war, dass die Apostel Jesu in der Vollmacht ihrer Amts- kraft und in ihrem Amtsauftrag vor die Gemeinden treten konnten. Dann war die Aufgabe, die Gott den Trägern des Prophetenamtes
gestellt hatte, erfüllt." [2]
Urwyler erteilte damit der Notwendigkeit von Propheten in der gegenwärtigen Neuapostolischen Kirche eine klare Absage.
Weblinks
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
Ernst Streckeisen | Stammapostel der Neuapostolischen Kirche 1978- 1988 |
Richard Fehr |
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
Ernst Streckeisen | Bezirksapostel der Gebietskirche Schweiz 1976-1980 |
Karl Kühnle |