Tränenkirche
Als Tränenkirche wird die ehemalige Neuapostolische Kirche in Netzschkau-Mylau bezeichnet. Das Gebäude steht auf einer Hügelkuppe am Ortsrand von Netzschkau/Vogtland.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Erste Bemühungen, für die Apostolische Gemeinde eine eigene Kirche zu errichten, gab es in Netzschkau bereits 1886. Der der Gemeinde angehörende August Peter verkaufte sein eigenes Haus als Grundstock für den Kauf eines Feldgrundstückes auf dem Mylauer Berg. Der Bau selbst erfolgte in den Jahren 1896 und 1897. Da es zu dieser Zeit noch nicht möglich war, einen Kirchenneubau der Apostolischen Gemeinde behördlich genehmigen zu lassen, wurde das Gebäude so ausgelegt, dass es von den Behörden als Wohnhaus mit Betsaal eingestuft wurde.
Die Gemeinde hielt ab 1896 regelmäßig Gottesdienste mit ca. 40 bis 120 Anwesenden. Jeder Gottesdienst stand unter polizeilicher Aufsicht. Im März 1899 wurde durch Diskriminierung und Verleumdungen ein Versammlungsverbot erlassen. Der letzte Gottesdienst fand am 26. Februar 1899 statt, dann wurde die Kirche nach gerade zwei Jahren der Fertigstellung geschlossen. In dieser Zeit gehörten etwa 10% der Netzschkauer der Apostolischen Gemeinde an, Anfang des 20. Jahrhunderts bis zu 600 Personen.
Erst drei Jahre später wurde durch den Einsatz des Bischofs und späteren (Bezirks-)Apostels Carl August Brückner das Verbot aufgehoben. Dieser wurde im Verlauf der Trennung der 1920er Jahre am 17. April 1921 seines Amtes enthoben und aus der Neuapostolischen Gemeinde ausgeschlossen. Am 5. Mai 1921 gründete er die Reformiert-Apostolische Gemeinde. Im Jahre 1922 wurden auch in Netzschkau-Mylau Ausschlussbriefe an die Gemeindemitglieder verschickt, die sich zu Brückner hielten. Dies betraf 410 von 465 Gemeindemitgliedern.
Am 20. Januar 1924 beschlossen diese, in Netschkau eine neue Kapelle zu errichten. Wenige Monate später fällte am 21. Mai 1924 das Leipziger Reichsgericht das Urteil, dass die Mitglieder des RAG die Tränenkirche nicht mehr betreten durften.
Die Neuapostolische Kirche selbst konnte in Netzschkau-Mylau nicht mehr Fuß fassen, so dass die Kirche einige Jahre später geschlossen und verkauft wurde. Im Dritten Reich wurde das Gebäude durch staatliche Organisationen genutzt, nach dem Krieg wurden dort Flüchtlinge untergebracht. In der DDR wurde das Gebäude komplett zu einem Wohnhaus umgebaut.
Herkunft des Begriffs
Nach wie vor hält sich das Gerücht, die Neuapostolische Kirche in Mylau würde Tränenkirche genannt, weil dort ein Schwerpunkt der Trennung des späteren Reformiert-apostolischen Gemeindebundes von der Neuapostolischen Kirche lag. Jedoch ist der Begriff schon deutlich älter und fand in der neuapostolischen Literatur deutlich vor 1921 Einzug. Er stammt wohl aus den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts und entstand aufgrund der sehr lebhaften Geschichte der Gemeinde und der vielen damit verbundenen Opfer der Gemeindemitglieder in dieser Zeit. So trauerten die Gemeindemitglieder drei Jahre um ihre unter großen Opfern neu errichtete Kapelle, die aber nicht genutzt werden durfte, da die Gottesdienste der damaligen Apostolischen Gemeinde in dieser Zeit verboten wurden.
Aktueller Zustand
Das Gebäude ist in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Die später errichteten Mietwohnungen im Kirchenschiff und den anderen Etagen werden aktuell noch von wenigen Personen bewohnt. Das Kirchenschiff ist demnach baulich stark verändert, dennoch sind einige Buntglasfenster und teilweise Ornamente erhalten geblieben. Besichtigungen sind in der Regel nicht möglich. Im Jahr 2009 konnten Teilnehmer des Treffen in Netzschkau, des Netzwerk Apostolische Geschichte, nach Bemühungen der ansässigen Apostolischen Gemeinde Netzschkau die Kirche besichtigen.
Literatur
- Thomas Kegler, "Chronik der Gemeinde Netzschkau" in "Aufbau, Ausbau, Trennungen - Die Entwicklung der apostolischen Gemeinschaften im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts", Edition Punctum Saliens, Hrsg. Mathias Eberle 2009, ISBN: 978-3-939291-04-6