Entschlafenenwesen

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Stammapostel W. Leber reicht das Abendmahl für die Entschlafenen an Amtsträger

Das Entschlafenenwesen der Neuapostolischen Kirche ist ein wichtiger Teil der Lehre der Neuapostolischen Kirche. In anderen christlichen Gemeinschaften, auch in anderen apostolischen Gemeinschaften, ist diese Lehre nur teilweise vorhanden, sie zählt also zu den konfessionsgebundenen Lehren der Neuapostolischen Kirche. Das Entschlafenenwesen wird biblisch begründet und lehrt die Möglichkeit, dass auch bereits Verstorbene noch Heil finden oder Sündenvergebung empfangen können. Dabei wird vor allem die Gnade Jesu Christi betont, die eine Zustandsänderung einer Seele im Jenseits ermögliche. Die verschiedenen christlichen Institutionen (Sakramente, Wort Gottes, etc.) sollen daher auch Entschlafenen (Verstorbenen) in bestimmter Weise überreicht werden.

Allgemeines

Die in ähnlicher Form seit dem 19. Jahrhundert in der Apostolischen Gemeinde und folgende publizierte Lehre versteht sich nicht als Neugründung. Sie stützt sich auf mehrere Bibelstellen, besonders auf 1 Kor 15,29 ELB, welche von einer Totentaufe spricht. Kritiker weisen darauf hin, dass die genannten, „die sich für die Toten taufen lassen“, auch irgend einer frühchristlichen Sekte hätten angehören können. Dem wird entgegengehalten, dass im Urtext (sowie in neueren Bibelübersetzungen, die näher dem Urtext geschrieben sind) die Passage von „Männern in der Gemeinde Korinth“ erzählt, und dass der Brief in den Jahren 53/54 n. Chr. geschrieben wurde, also zu einer Zeit, als nur die Christen unter den Aposteln sowie Gemeinden unter Bischöfen, welche die Apostel verließen, existierten. Charismatische Gruppen im 2. Jahrhundert nach Christus führten einige Lehren der Apostel weiter, darunter, so scheint es, auch eine Totentaufe. In Bibellexika katholischer Theologen wird die Totentaufe in den ersten Gemeinden der Apostel als „wahrscheinlich bzw. möglich“ beschrieben.[1]

Das Entschlafenenwesen der Neuapostolischen Kirchen hat zunächst Ähnlichkeit mit der Totentaufe der Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage. Schon oberflächlich betrachtet gibt es aber viele Unterschiede: Nach dem Verständnis der Mormonen können nur Verstorbene getauft werden, die mindestens seit einem Jahr tot sind (ist das Sterbedatum nicht bekannt, so muss der Verstorbene vor mindestens 110 Jahren geboren sein); Name und Vorfahren müssen unbedingt bekannt sein, etc. Nach neuapostolischer Lehre ist die Identität, der Name und die Herkunft eines Entschlafenen, welcher die Sakramente empfangen haben könnte, nicht bekannt.

Lehre

Das Jenseits

Aus den Aussagen der Bibel schließt die Neuapostolische Kirche[2], dass es im Jenseits verschiedene Bereiche gibt, die sich in der Intensität der Gottnähe bzw. -ferne unterscheiden. Eine Aussage über die Anzahl und genaue Struktur dieser Bereiche trifft die Neuapostolische Kirche nicht.

Nach neuapostolischer Lehre befindet sich eine Seele nach dem Tod in einem Bereich im Jenseits, den sie nach Gottes Urteil verdient. Nicht-erlösten Seelen könne geholfen werden, damit sich deren Seelenzustand ändert und sie auch erlöst werden können.

Die Neuapostolische Kirche lehrt, dass Menschen, die in Christus sterben, definitiv erlöst sind. Sie befinden sich in einem vollkommenen Seelenzustand und nach ihrem Bibelverständnis kann man diesen im Jenseits nicht verschlechtern.

Ein „in Christus Gestorbener“ erfüllt nach neuapostolischer Sicht folgende Bedingungen:

  • Er hat die drei Sakramente Taufe, Versiegelung und Abendmahl empfangen.
  • Sein Leben richtete sich voll und ganz nach der Vorbereitung auf die Wiederkunft Christi, was bedeutet, nach „Gutem“ und dem „Werk Gottes“ gestrebt zu haben. Deshalb lassen sich an dieser Seele Wesensmerkmale Jesu Christi erkennen.
  • An ihm zeigen sich Zeichen der Vollendungsarbeit des Heiligen Geistes.
  • Durch die Gnade Gottes wurden ihm seine Sünden und Laster, die er bis hierher noch zu tragen hatte, vergeben.

Deshalb geht die Lehre der Neuapostolischen Kirche davon aus, dass all diese Bedingungen, vor allem von neuapostolischen Christen, gültig versiegelte anderer apostolischer Gemeinschaften, Gläubigen des Urchristentums und Märtyrer, welche nach neuapostolischem Verständnis besondere Gnade erfahren, erfüllt werden können. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kirche exklusiv ist und schließlich nur diese Heil erfahren können, denn auch Andersgläubige, Verstorbene sollen durch Sakramente für Verstorbene Heil erlangen. Zudem lehrt die Kirche, dass niemand wissen kann, wen die Gnade Gottes einschließt. Auch sagt die Neuapostolische Kirche, dass man nicht sicher zu diesen „in Christus Gestorbenen“ gehört, nur weil man neuapostolisch ist. Denn gewichtig wären auch die Herzenseinstellung und Lebenswandel, also nach was man im irdischen Leben wirklich strebte und dies auch getan hat oder nicht.

Die Neuapostolische Kirche sagt aus, dass manche Menschen nicht in Christus gestorben sind, nämlich die, die

  • entweder nicht die drei Sakramente Taufe, Versiegelung und Abendmahl erfahren haben und somit nicht an Jesus Christus glauben und/oder nie von ihm gehört haben.
  • oder deren letzte Sünden nicht vergeben wurden oder noch Laster tragen (z.B. ein Opfer, das seinem Mörder nicht vergeben kann)
  • oder zwar gläubig waren, jedoch nie nach dem Willen Gottes und Jesu Christi handelten
  • oder noch keine Gnade erlangt haben

Es ist neuapostolische Lehre, dass keiner wissen kann, wer zu den Erlösten gehört und wer nicht. Deshalb soll man für alle noch unerlösten Seelen bitten, damit sie Gnade erfahren können und die im Abschnitt vorher genannten Bedingungen erfüllen können.

Kritik an der Lehre

Kritiker werfen der neuapostolischen Lehre vor, dass mit diesen Aussagen sehr subtil eine hohe Exklusivität aufgebaut werde, da gültige Sakramente außerhalb der Neuapostolischen Kirche gar nicht gespendet werden können. Außerdem widerspreche (vor allem nach evangelikalen Ansichten) dem biblischen Zeugnis, dass gläubige Menschen noch "unvergebene Sünden" haben. Allein durch den Glauben geschieht Rechtfertigung, und Sündenvergebung ist durch den Tod Christi für Gläubige bereits einmal und immer bestehend erfolgt.

Die Hilfe für die Toten

Die Gnade Christi für Lebende und Tote

Wie bereits ausgeführt glaubt die Neuapostolische Kirche, der Zustand von noch unerlösten Seelen könne zum „Guten“ verbessert werden. Die Hilfe dafür findet sich nach deren Ansicht allein in der Gnade Christi aus seinen Opfer und dem damit verbundenen Verdienst.

Dass die „Gnade Gottes„ allen Menschen gilt, interpretiert die Neuapostolische Kirche aus den Bibelstellen: 1 Tim 2,4-6 ELB, 1 Tim 4,10 ELB

Von großer Bedeutung für die neuapostolische Lehre stehen in diesem Zusammenhang Jesu eigene Worte aus Johannes 3,16: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

Die Neuapostolische Kirche interpretiert das Wort „Welt“ eindeutig als alle von ihm geschaffene Leben, also Diesseits und Jenseits. Nicht zuletzt, weil sie die Bestätigung dafür in folgenden Bibelstellen sieht, welche von der Predigt Jesu Christi im Jenseits zeugen. 1 Petr 3,19.20 ELB, 1 Petr 4,6 ELB

Trotzdem ist die Neuapostolische Kirche davon überzeugt, dass dieses Gnadenangebot, wie auch im Diesseits, aus freiem Entschluss von Seelen angenommen werden muss.

Die Fürbitte der Lebenden

In mehreren Bibelstellen wird gesagt, dass Lebende für die Toten beteten. Schon vor der Zeit Jesu gab es einzelne, die daran glaubten. 2 Makk 12,39-46 ELB

Die neuapostolischen Christen werden in der Kirche aufgefordert, für die noch unerlösten Seelen im Jenseits zu beten. Sie sollen die geistig innige Gemeinschaft mit ihnen im Gebet suchen und fürbittend für jene Seelen eintreten, nach dem Vorbild Jesu, der Fürsprecher beim Vater ist. Die Gebete sollen von „Liebe zu Gott“ und „Glauben an das Opfer Christi“ getragen werden und dies aus Überzeugung tun, dass Gebete und Fürbitte des Gerechten viel vermögen Jak 5,16 ELB, Apg 12,3-11 ELB.

Der Kirche nach sollen diese Gebete dann Gnade Gottes für die Unerlösten im Jenseits bewirken, wobei es Gott überlassen bleibt, in welchen für Menschen unbekannten Wege dies geschieht. Eine Möglichkeit soll jedoch sein, dass auch bereits Erlöste im Jenseits missionieren. (siehe dazu den folgenden Abschnitt Das Mitwirken erlöster Entschlafener)

Die Gebete sollen laut Kirche folgende Schwerpunkte enthalten:

Der ewige Gott möge in seiner Liebe

  • in ihnen das Verlangen nach dem Gnadenangebot Christi erwecken
  • ihnen den Weg zu dieser Gnade eröffnen
  • die von ihm bereiteten Mittel einsetzen zu deren Erlösung

Die Neuapostolische Kirche akzeptiert auch Andachten anderer christlicher Gemeinschaften und anerkennt auch deren Wirkung im Zusammenhang mit der Gnade Gottes und (wenn auch nicht absolut) der Wirkung des neuapostolischen Apostelamtes.

Das Mitwirken erlöster Entschlafener

Für die neuapostolischen Christen ist es eine Glaubensüberzeugung, dass erlöste (siehe Begriffserklärung unten) Seelen in der jenseitigen Welt tätig sind. Sie werden sich in der Fürbitte und von ihrem Glauben Zeugnis ablegen.

D.h., dass unerlösten Seelen (siehe Begriffserklärung unten) zwar geholfen werden kann durch Fürbitte im Gebet, dies jedoch bewirkt und voraussetzt, dass erlöste Seelen im Jenseits Missionsarbeit leisten. Nach Meinung der Neuapostolischen Kirche sind also absolut die gleichen Voraussetzungen nötig, um das Evangelium zu verkünden und das Werk Gottes zu vollenden.

Als ihre Berechtigung für diesen Glauben nennt die Kirche:

  • Die biblische Gewissheit, dass alle gläubigen Seelen den „Leib Christi“ bilden: Eph 4,12 ELB, setzt für die Kirche voraus, dass auch überall, im Diesseits und im Jenseits, das Evangelium gepredigt wird.
  • Da in der Bibelstelle Lk 9,31 ELB gesagt wird, dass auch Mose und Elia bei der Verklärung Jesu dabei waren, nimmt die Kirche an, dass diese als Repräsentanten der Gläubigen der jenseitigen Welt anwesend waren. Denn auch ihnen müsse man die Verklärung Jesu Lk 9,35 ELB entgegen gerichtet werden.
  • Jesus selbst predigte im Jenseits 1 Petr 3,19 ELB

Begriffserklärung:Nach neuapostolischer Lehre ist es möglich, da man sich im Jenseits nicht „verschlechtern“ kann, definitiv erlöst zu werden. Bitte lesen Sie zur genauen Erläuterung die Abschnitte: …und der dortige Zustand der „in Christus gestorbenen“, wie auch …und der dortige Zustand derer, die nicht „in Christus gestorben sind“.

Der Dienst der Engel

Nach Lehre der Neuapostolischen Kirche sind Engel geistige, aber unvollkommene Wesen:

  • die Gott, wie den Menschen auch, für seinen Dienst geschaffen hat
  • die göttliche Gerichte vollziehen und den Menschen Offenbarungen vermitteln
  • die von Gott ausgesandt werden, um seinen Wohlgesinnten Gnade und Heil zu schenken
  • die Gott, den Vater und Jesus Christus darin unterstützen, das Werk Gottes nach dem Willen des Vaters und den Fürbitten der Gläubigen zu erfüllen

Die Rolle des Apostelamtes

In der Bibel ist immer wieder vom Apostelamt als „Gnadenamt“, „Gnadenthron oder -altar“ (wo Gott durch sein Gnadenamt wirkt), „Botschafter der Versöhnung“ (da der Opfertod Jesu Versöhnung mit den Menschen ist) oder Verwalter und Haushälter über Gottes Geheimnisse die Rede: Apg 20,24 ELB Hebr 4,14-16 ELB 2 Kor 5,18-20 ELB Eph 3,2 ELB

Der oft in der Neuapostolische Kirche gebrauchte Ausspruch vom "Gnaden- und Apostelamt" findet sich jedoch nicht in der Bibel. Dort ist vielmehr in Röm 1,5 davon die Rede, dass die Welt Gnade und Apostelamt empfangen habe.

Somit ist das Apostelamt, nach neuapostolischer Lehre, das Amt Gottes, beauftragt von Jesus Christus, in dem der Heilige Geist wirkt. Schon allein diese Tatsachen, sowie mehrere Aufträge die Jesus seinen Aposteln gab, machen das Amt für die Neuapostolische Kirche heilsnotwendig. Insofern muss das Apostelamt auch für die Seelen im Jenseits wirken, indem auch denen das Wort Gottes gepredigt und Sakramente durch Gnade und Opfertod Jesu übergeben werden.

In der Neuapostolischen Kirche spenden jeden Sonntag der Stammapostel und die Bezirksapostel oder beauftragte Apostel das Heilige Abendmahl an Verstorbene. An den Entschlafenengottesdiensten, von denen es jeweils drei pro Jahr gibt, spenden die vorher genannten auch Taufe und Versiegelung an Verstorbene.

Geschichte

Erstmals eine besondere Bedeutung erhielt das Entschlafenenwesen für die Neuapostolische Kirche im Jahr 1874. Apostel Friedrich Wilhelm Schwarz führte damals mehrere Änderungen in Lehre und Liturgie ein, darunter auch die Sakramentspendung an Entschlafene, nachdem er lange Bibelsitzungen abgehalten hatte und über die Möglichkeit der Errettung eines todgeborenen Kindes von apostolischen Eltern nachdachte[3]. Die erste schriftliche Erwähnung einer Entschlafenenversiegelung wird in der Kirchenzeitschrift "De Zevende Bazuin" Nr. 14 vom Dezember 1897 mit 360 versiegelten Entschlafenen gemacht.

Zwar glaubte die junge apostolische Gemeinschaft (damals Allgemeine christliche apostolische Mission bzw. Apostolische Zending) schon vorher an Wirkung von Gebeten für Entschlafene, jedoch wurde die erste Sakramentspendung erst am Himmelfahrtstag 1874 für das o.g. Kind durchgeführt. Wenige Tage später kam in einem Gottesdienst eine sogenannte „Zungenrede“, deren Inhalt lautete, die Reformatoren Melanchthon, Calvin, Zwingli, Stilling, Da Costa und Harms mit seiner Frau seien an jenem Tage zuvor versiegelt worden.[4]

In der Anfangszeit spendete man ausschließlich die Sakramente nach vorheriger Weissagung und Nennung der Personen. Erst um 1908 entfiel die Namensnennung und man schloss alle verlangenden Seelen mit ein.

Große Unterschiede innerhalb dieser Lehre gab es bis zum heutigen Tage kaum. Lediglich das biblische Spektrum der Kirche, betreffend des Entschlafenenwesens, hat sich erweitert. Außerdem war es bis zur Amtszeit von Richard Fehr als Stammapostel „Tradition“, vor der Handlung bei einem Entschlafenengottesdienst den Bereich der Entschlafenen für die Erde zu öffnen, was sich auf die Bibelstelle der Schlüsselmacht stützte Mt 16,19 ELB. [5] Seit Richard Fehr wird dieses Ritual von der Kirche jedoch als unnötig angesehen.

Zum Entschlafenenwesen erschienen von Seiten der Kirche drei schriftliche Werke: Der Jenseitsglaube der neuapostolischen Christen, 2004, Das Leben nach dem Tode, 1938 und Lichtblicke ins Jenseits.

Am 28. Juli 1916 unternahm Stammapostel Niehaus während eines Gottesdienstes in Bielefeld, anlässlich einer Apostelversammlung, eine „Amtseinsetzung“ für neuapostolische Christen im Jenseits.[6] Dies wird auch von der heutigen Führung der Neuapostolischen Kirche als äußerst kontrovers angesehen und abgelehnt.

Die Sakramentsspendung wurde dann auch von den Stammaposteln Krebs und Niehaus weitergeführt. Niehaus feierte einen Entschlafenengottesdienst jeweils am zweiten Weihnachtstag. Stammapostel Bischoff legte diesen Tag ab 1950 auf den ersten Sonntag im November. 1952 wurde er im Rahmen der Botschaft auf den 6. Juli 1952 vorverlegt, weil die Wiederkunft Christi noch vor November erwartet wurde. [7]Als diese jedoch ausblieb, wurden drei jährliche Termine, jeweils am ersten Sonntag im März, Juli und November, eingerichtet, die bis heute gelten. Am Mittwochabend zuvor sollten Erlebnisse und Glaubenserfahrungen zu diesem Thema vorgelesen werden.[8] Heute wird dies zwar auch noch getan, was natürlich vom Dienstleiter abhängt, jedoch am Sonntag zuvor, der heute allgemein als Vorbereitungstag gilt.

Heutige Situation

Aufgrund der Kontroversen- und Kritikbewegung der 90-Jahre mit hohem Anteil an Kirchenaustritt, setzt die NAK einen strenger beachteten Ablauf fest, damit unrichtige oder überflüssige Aussagen von Aposteln keine Irrtümer verursachen. Von kritischen Mitgliedern, aber auch besonders durch ehemalige Mitglieder, wird das Entschlafenenwesen teilweise als „Totenkult“ verrufen. Aus theologischer Sicht kann dieser Vorwurf relativiert werden, da zum Totenkult (lat. Kult→cultus = Verehrung) z.B. eine Beerdigung dazugezählt wird bzw. das Entschlafenenwesen keine Verehrung ist. Die gegenwärtige Praxis, dass die Gottesdienste für Entschlafene dreimal jährlich stattfinden, und zwar am ersten Sonntag der Monate November, März und Juli, beginnend mit dem 6. Juli 1952, geht auf eine Anordnung von Stammapostel Bischoff zurück. Den heilsverlangenden Seelen wird durch Stellvertreter die drei Sakramente gespendet (vgl. F&A, Frage 249). Die ökumenische Sicht kennt jedoch keinen Glauben, der die Welt der Toten mit einschließt. Selbst der wohlwollende Kritiker Helmut Obst schreibt: "Ein derartiger Dienst für die Toten ... ist weder aus der Bibel noch aus der Tradition zu begründen. Gottesdienste für Verstorbene, bei denen die Lebenden für Verstorbene Sakramente spenden, sind ebenso ein neuapostolisches Spezifikum wie die sonntägliche Spendung des Abendmahls an Lebende für Tote" (H. Obst: NAK - die exklusive Endzeitkirche? Neukirchen 1996, S. 142).

Gottesdienstliche Praxis

Die bereits vorgestellten Glaubensaussagen haben ihren Einfluss in einem neuapostolischen Gottesdienst heute stark erweitert und haben die Praxis geprägt.

Gottesdienste für Entschlafene

Zu den Höhepunkten in einem normalen Kirchenjahr der NAK gehören zum einen die Entschlafenengottesdienste. Sie werden dreimal im Jahr gefeiert (am ersten Sonntag im März, Juli und November). Egal wo sie sich befinden, spenden der Stammapostel, die Bezirksapostel, wenn einer verhindert ist: ein beauftragter Apostel, die Taufe, das Heilige Abendmahl und Versiegelung an Tote. (Man nimmt in der Kirche an, dass gläubige Seelen zum Gottesdienst hinzukommen und die Sakramente empfangen können.) Diese Handlungen werden an zwei Amtsträgern, welche als Brücke dienen durchgeführt. Für alle anderen Gemeinden wird empfohlen, dass diese Gottesdienste durch den Gemeindevorsteher durchgeführt werden. Sie sprechen nach der Feier des Heiligen Abendmahls ein besonderes Gebet für die Entschlafenen, denen dieser Gottesdienst gewidmet ist. Es enthält Dank für Christi Gnade und die Bitte um göttliche Hilfe für alle unerlösten Seelen. Jeder Beiwohner eines neuapostolischen Gottesdienstes wird eine Woche vor dem Entschlafenengottesdienst aufgefordert, sich auf dieses Ereignis vorzubereiten. Außerdem soll ein neuapostolischer Christ in jedem Gottesdienst an die Seelen gedenken und für die Unerlösten (dabei sieht die Kirche keine Grenzen, wer zu diesen dazugehört oder eben auch nicht) zu beten.

Die Spendung der Sakramente

Im Abschnitt „Biblische Berichte“ wurde bereits auf eine urchristliche Gepflogenheit, die Taufe für Tote stellvertretend an Lebenden zu vollziehen, hingewiesen. Eine Begleitstelle dafür wären: 1 Kor 15,29-30 ELB „Was soll es sonst, dass sich einige für die Toten taufen lassen? Wenn die Toten gar nicht auferstehen, was lassen sie sich dann für sie taufen? Und was stehen wir dann jede Stunde in Gefahr?“

Daher sagt dieses Wort aus:

  1. Auch Toten wird Heil vermittelt, die Sakramente, die Taufe ist eines, sind relevant dafür.
  2. Paulus wurde schon getauft, musste sich jedoch trotzdem noch fürchten zu sterben, wenn man seiner Seele im Jenseits kein Heil mehr vermitteln könnte. Die Neuapostolische Kirche interpretiert es deshalb auch so, dass wohl auch andere wichtige Heilsvermittlungen wie Sündenvergebung oder die zwei anderen Sakramente Versiegelung und Heiliges Abendmahl etc. an Tote gespendet werden müssen. Die Wichtigkeit der drei Sakramente wird in der Bibelstelle Joh 5,6-8 ELB genannt.

Stammapostel Leber wies darauf hin, dass es sich hierbei nicht nur um eine Rechtfertigung der kirchlichen Praxis handelt, sondern viel mehr um eine Heilsnotwendigkeit der Verstorbenen.

Laut 1 Thess 4,15-17 ELB ist die Schar der Erstlinge bestehend aus Toten und Lebenden in Christus. Daraus schließt die Kirche, da sie somit als „Brautgemeinde“ dieselbe Berufung und vor allem Bereitung auf die Wiederkunft Christi erfahren haben. Somit müssen alle Seelen, ob tot oder nicht, durch den Empfang der Sakramente vorbereitet werden. Die Heilsnotwendigkeit der Sakramente wird in Tit 3,4-7 ELB genannt.

Die Stelle 1 Kor 4,1 ELB macht nochmal deutlich, dass dafür die wichtigsten Diener Gottes, die Apostel, als Haushälter über Gottes Geheimnisse, nötig sind.

Das Heilige Abendmahl für Entschlafene

Feier des Heiligen Abendmahls für die Entschlafenen am 1. März 2009 in Melle.

Im Mittelpunkt der neuapostolischen Glaubenspraxis steht der Gottesdienst.

Um die Seele auf das ewige Leben vorzubereiten gehören nach Sicht der Neuapostolischen Kirche, ausgenommen von den Sakramenten und dem rechten Lebenswandel, regelmäßig:

Daraus schließt die Neuapostolische Kirche, dass diese beiden „Seelenspeisen“ auch Tote erfahren können, beziehungsweise, müssen.

Also vollziehen der Stammapostel, die Bezirksapostel, oder unter Umständen beauftragte Apostel, das Sakrament des Heiligen Abendmahls an zwei Amtsträger für die verlangenden Seelen im Jenseits, wodurch auch diese Heil und Gemeinschaft mit allen Gläubigen und mit Jesus Christus erlangen sollen.

Die Wirkung und Wichtigkeit des Heiligen Abendmahls wird hier beschrieben: Eph 4,11-13 ELB,Joh 6,53-54.57 ELB

Am Beispiel eines Gottesdienstes

Hier ein Beispiel an einem Ausschnitt aus einem Gottesdienst eines Bezirksapostels im Frühjahr 2007.

Es handelt sich hierbei um einen Konfirmationsgottesdienst. Textwort der Predigt war das Gebäude des Glaubens 1 Kor 3,12-13 ELB.

„Einleitende Worte des begleitenden Apostels zur Feier des Heiligen Abendmahls für die Entschlafenen:
Ihr Lieben alle!
Nun dürfen wir noch erleben, wie auch unseren Entschlafenen und allen, die in der Ewigkeit zum Gnadenaltar gezogen wurden, das Heilige Abendmahl gereicht wird. Heute morgen haben wir im Geiste eine wunderschöne Wohngegend gesehen, wo sich auch die Grundstücke unserer jungen, neuapostolischen Christen befinden. Sie werden nun darauf ihre Seelengebäude errichten. An dieser einzigartigen Wohnlage mit Berg- und Seesicht gibt schon viele schöne Glaubensgebäude, die wir betrachten und bewundern dürfen. Viele, die uns voraufgegangen sind, haben solche Prachtsvillen gebaut. Unter ihnen sind Pioniere, die vielleicht auch die Konfirmation als Anfang der Bauzeit ihres Glaubensgebäudes bezeichnen können. Alle diese Konfirmandenlehrer und Lehrkräfte haben wunderbare Gebäude errichtet, an denen wir uns erfreuen dürfen. Dann gibt es solche, die in der Ewigkeit zum Glauben bewogen wurden. Sie haben auch Baumaterial erhalten und daraus das Wertvolle gewählt. Damit bauen sie weiter, das fühlen wir. Sie alle sind eingeladen zur Feier des Heiligen Abendmahls. Als Amtskrippe dient der Bezirksälteste und als Vertreter der Eltern unserer jungen, neuapostolischen Christen unser Evangelist. (Namen werden hier keine genannt!)
Die beiden genannten Amtsträger betreten die linke Seite des Altars und stehen vor dem Bezirksapostel, der sich wiederum zu ihnen wendet.
Wir denken heute in erster Linie an die Vorfahren der lieben Konfirmanden: Großeltern, Urgroßeltern, einfach Mitglieder der Familie, die schon drüben sind. Aus diesem Grund habe ich den Evangelisten als Vertreter der Eltern der Konfirmanden gewählt. Auch viele andere kommen aus der Salbung an diesem Tag, denn auch sie jubeln und jauchzen, indem sie sagen: «Christus ist auferstanden! Und weil er auferstanden ist dürfen wir im Reich der Erlösten sein!» Der liebe Gott zieht mit seinem großen und barmherzigen Herzen auch viele Seelen, die noch weder getauft noch versiegelt sind, zu sich. Alle sind auch uns herzlich willkommen.
Nun übergibt der Bezirksapostel den beiden Amtsträgern, man nennt sie in diesem Moment Amtskrippe, das Heilige Abendmahl.
Wir laden euch nun ein, ihr geistgetauften Seelen und ihr alle, welche die Liebe und Barmherzigkeit unseres großen Gottes gezogen hat: Nehmet aus den Herzen und Händen des Bezirksältesten und des Evangelisten, was ich jetzt hineinlege: Auch für euch ist der Leib und das Blut Jesu gegeben zu eurer Freude und zum ewigen Leben.

siehe auch

Einzelnachweise

  1. Das große Handbuch zur Bibel; 2007; ISBN 978-3-460-30220-4 (Verlag katholisches Bibelwerk)
  2. Jenseitsglaube der neuapostolischen Christen, S. 31-32
  3. Dominik Schmolz, kleine Geschichte der Neuapostolischen Kirche, 2016 (vierte Auflage), Seite 34; vgl. MÜLLER(-BAHR), Sebastian (2009)
  4. Waechterstimme - zur Reformation der Neuapostolischen Kirche
  5. NAK Bad Ragaz
  6. Dominik Scholz, kleine Geschichte der Neuapostolischen Kirche (4. Auflage), 2016, Seite 59
  7. Parzich, Wilhelm in: Sondernummer Feb./März 1972
  8. NAK Bad Ragaz

Literatur

Weblinks

Fußnoten